Klimaresilienz – Digitalisierung – Automatisierung: Austausch zu branchenübergreifenden Innovationen auf der Vogelsburg

Cross-Industry-Event: THWS und Region Mainfranken GmbH geben Impulse für Unternehmen

05.09.2024
Aktuelles

„Was können Maschi­nenbau und Auto­mo­tive von Land­wirt­schaft und Weinbau lernen?“ Unter diesem Motto haben die Tech­ni­sche Hoch­schule Würz­burg-Schwein­furt (THWS) und die Region Main­franken GmbH im Rahmen des Projekts trans­form.RMF ein Cross-Industry-Event auf der Vogels­burg in Volkach ausge­richtet. Die THWS, die Hoch­schule Weihen­ste­phan-Tries­dorf sowie das FutureLab-Programm des Walther-Rathenau-Gymna­siums Schwein­furt stellten dabei Tech­no­lo­gie­im­pulse und prak­ti­sche Anwen­dungen vor. Ziel­gruppe waren kleine und mittel­stän­di­sche Unter­nehmen aus der Auto­mo­bil­in­dus­trie, dem Anlagen- und Maschi­nenbau in der Main­fran­ken­re­gion.

Die Veran­stal­tung eröff­nete Prof. Dr. Jan Schmitt, Vize­prä­si­dent für Forschung und Grün­dung an der THWS, indem er die Wich­tig­keit dieses Events betonte, um sich gegen­seitig zu inspi­rieren und vonein­ander lernen zu können. Warum Vernet­zung der Schlüssel ist, zeigte er in seinem Vortrag „Cross Industry – Ein Kata­ly­sator für bahn­bre­chende Inno­va­tionen“. „Cross-Industry Inno­va­tion“ beschreibt den Prozess gezielten Wissens- und Tech­no­lo­gie­trans­fers zwischen Unter­nehmen verschie­dener Bran­chen, um neue Produkte, Dienst­leis­tungen oder Geschäfts­mo­delle zu entwi­ckeln und Markt­chancen zu erschließen. Dabei komme es jedoch nur in wenigen Unter­nehmen regel­mäßig zum Einsatz: Obwohl in einer Befra­gung 79% der Teil­neh­menden die Meinung vertraten, Cross-Industry Inno­va­tion gewinne in Zukunft stark an Bedeu­tung, würden dies nur 14% der Befragten in ihrem Unter­nehmen häufig einsetzen. Gründe und Vorteile einer solchen Vernet­zung sind Inno­va­tion und Wachstum, Ressour­cen­ef­fi­zienz und Markt­durch­drin­gung. Der Einsatz von Droh­nen­tech­no­logie zur Ernte­über­wa­chung im Weinbau zum Beispiel ließe sich auf die Bereiche Fahr­zeug­her­stel­lung oder Logistik über­tragen. In der Land­wirt­schaft ließen sich GPS und Daten­ana­lyse zur Opti­mie­rung von Erträgen auf auto­nome Fahr­zeug­füh­rung adap­tieren. Auch in Puncto Nach­hal­tig­keit könne Cross-Industry Inno­va­tion hinsicht­lich Kompos­tie­rung und Bewäs­se­rung zur nach­hal­tigen Ressour­cen­nut­zung beitragen. Das Fazit: Inno­va­tionen eigenen sich dazu, bran­chen­über­grei­fend genutzt zu werden.

Im Anschluss spra­chen Hanno Koßmann und Tobias Greis­sing von der Hoch­schule Weihen­ste­phan-Tries­dorf. Hanno Koßmann, derzeit Promo­vend zum Thema alter­na­tive Proteine in Form von Milch- und Flei­scher­satz­pro­dukten, legte aktu­elle Heraus­for­de­rungen in der Land­wirt­schaft dar. In neuen land­wirt­schaft­li­chen Systemen werden vermehrt „inter­crop­ping“ und „biolo­gi­cals“ einge­setzt. So werden beispiels­weise ausge­wählte Zwischen­früchte und Larven von Nütz­lingen zur Vermei­dung von hohem Dünger­ein­satz und Insek­ti­ziden verwendet. Dies fördere die Anbau­viel­falt. „Nach­hal­tige Land­nut­zung heißt, mehr auf weniger Fläche zu produ­zieren, dabei die Umwelt zu schonen und Verluste zu verrin­gern. Teil­weise entstehen hier jedoch Ziel­kon­flikte, die nicht einfach zu bewäl­tigen sind. Tech­no­lo­gien wie Agri-Photo­vol­taik, Preci­sion Farming und alter­na­tive Prote­in­quellen können dabei helfen, diese Ziele zu errei­chen,“ erklärt Hanno Koßmann. Preci­sion Farming dient zur orts­dif­fe­ren­zierten, ziel­ge­rich­teten Bewirt­schaf­tung land­wirt­schaft­li­cher Nutz­flä­chen. Agri-Photo­vol­taik (Agri-PV) bedeutet die gleich­zei­tige Nutzung land­wirt­schaft­li­cher Flächen, um sowohl Nahrungs­mittel zu produ­zieren als auch Strom durch PV zu erzeugen. Die Agri-PV stei­gert somit die Flächen­ef­fi­zienz und macht es möglich, PV bei gleich­zei­tigem Erhalt land­wirt­schaft­lich nutz­barer Flächen auszu­bauen.

Tobias Greis­sing, der als Produkt­de­si­gner in enger Zusam­men­ar­beit mit Inge­nieuren steht, stellte sich der Frage nach der Rolle des Menschen bei der Entwick­lung erfolg­rei­cher Produkte. Essen­ziell bei Menschen, die Inno­va­tionen und agile Methoden als Mehr­wert in Unter­nehmen einführen, sei deren Förde­rung. Aus seiner Berufs­praxis schil­derte Tobias Greis­sing ein Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­pro­jekt mit Studie­renden in Kenia, die an Afrikas größtem See, dem Vikto­riasee, in Koope­ra­tion mit der Welt­hun­ger­hilfe erlernte Führungs­rollen über­nahmen und das Projekt leiteten.

Stationen für den Wissens­transfer

Der zweite Teil der Veran­stal­tung bestand aus drei Stationen, an denen inno­va­tive Tech­no­lo­gien live demons­triert wurden: Gründer des FutureLab-Programms und Studi­en­di­rektor am Walther-Rathenau-Gymna­sium Oliver Kunkel gab in seinem Vortrag „Klima­resi­lienz in der Land­nut­zung: Wie sich Land­wirt­schaft, Wein- und Obstbau anpassen können“ Einblicke anhand eines Modells: Das oben beschrie­bene Verfahren Agri-PV stellte er durch ein Miniatur-Nachbau den Teil­neh­menden vor. Auch sprach Oliver Kunkel über die Heraus­for­de­rungen in der Klima­resi­lienz im Weinbau, zum Beispiel ungüns­tige Wetter­ver­hält­nisse wie Stark­regen, Hagel, Hitze oder Wind, aber auch Vogel- und Insek­ten­be­fall. Auch gebe es Hürden bei der Haltung von Weide­tieren, die in Form von Inseln mit Photo­vol­ta­ik­an­lagen gelöst werden können, um größer Resi­lienz zu erzielen zu können.

Prof. Dr. Rainer Herrler, Fakultät Elek­tro­technik und Lukas Gehrig, Student Bachelor Robotik, stellten Einsatz­mög­lich­keiten für Robotik im Weinbau vor. Das Beson­dere: Die Anwen­dungs­felder Robotik und Digi­ta­li­sie­rung in der Land­wirt­schaft führten sie direkt vor Ort anhand zwei fern­ge­steu­erter Roboter vor. Diese können für Laub­ar­beiten an den Reben und zum Schutz der Pflanzen sowie zur Boden­be­ar­bei­tung und zum Mähen einge­setzt werden. Wichtig hierbei sei aufgrund der Enge zwischen den Rebstö­cken das auto­nome Fahren der Roboter, die sich aktuell noch durch eine Fern­steue­rung – je nach Modell via Controller oder Smart­phone – abseits des Wein­bergs steuern lassen. Noch ist die Fern­steue­rung nötig; in Zukunft sollen die Roboter aber so weit entwi­ckelt sein, dass sie ihre Pfade selbst finden können und der Daten­spei­cher zentra­li­siert ist. Die Technik dieses Einsatzes von Robo­tern im Weinbau, so Prof. Herrler, lasse sich auch über­tragen, beispiels­weise beim Obst- und Oliven­anbau in Italien.

Roboter in der Land­wirt­schaft: Perspek­tiven an der THWS

Durch den Einsatz solcher Roboter sei der Markt weniger abhängig von Saison­ar­beits­kräften. Ein weiterer Vorteil liegt in mehr Möglich­keiten für nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung, etwa in Bezug auf den Einsatz von Pflan­zen­schutz­mit­teln oder Boden­ver­dich­tung. Zudem ist dadurch das sichere Arbeiten in Steil­lagen gewähr­leistet. Erreicht wurden bishe­rige Arbeiten auf Basis von Abschluss­ar­beiten von Maschi­nen­bau­stu­die­rende an der THWS. Daneben liegt der Schwer­punkt zweier Profes­soren des CERI (Center für Robotik) auf Agrarr­o­botik und unter­hält inter­na­tio­nale Koope­ra­tionen in diesem Forschungs­feld.

Prof. Dr. Andreas Schiffler, Fakultät Maschi­nenbau und Jakob Paul, Student der Elektro- und Infor­ma­ti­ons­technik, legten „Präzi­si­ons­land­wirt­schaft durch Sensorik und IoT (Internet of Things)“ dar. Durch den Klima­wandel sei die Ertrags­si­che­rung im Weinbau ins Wanken gekommen. Um den Einsatz von Pesti­ziden und anderen konven­tio­nellen Dünge­mit­teln zu redu­zieren, stellten sie inno­va­tive Sensorik zur Klima­mes­sung vor, um den Zustand eines Wein­berges analy­sieren zu können. Jakob Paul erklärte den Stand der Technik im Hinblick auf Vorher­sa­ge­mo­delle und Life Data: Mess­sta­tionen in den kleinen unter­frän­ki­schen Ortschaften Eschern­dorf und Sommer­rach in der Nähe der Vogels­burg seien schwer verläss­liche Quellen, um den Wein­berg direkt an der Vogels­burg prüfen zu können. Ein Netz­werk­server, der mit Lang­zeit­bat­te­rien-ausge­stat­teten Sensoren verbunden ist, biete eine exak­tere Messung für die jewei­lige land­wirt­schaft­liche Lage.

Zum Schluss hob Prof. Dr. Volker Bräu­tigam hervor: „Für die Umset­zung von Inno­va­tionen ist in erster Linie Verän­de­rungs­be­reit­schaft notwendig. Ich danke der Region Main­franken GmbH, der THWS und dem gesamten Orga­ni­sa­ti­ons­team für diese gelun­gene Veran­stal­tung.“

Infor­ma­tionen zu CERI: https://robotik.thws.de/forschung/ceri-forschungsfelder/

Zum Institut für Digital Engi­nee­ring (IDEE): https://www.thws.de/forschung/institute/idee/das-idee/vision-in-forschung-und-technologietransfer/

Zur Webseite der Region Mainfranken GmbH

Fotos: THWS/​Anne Speda