Best Practice: XRify GmbH x MÜNCH GmbH

Augmented Reality im Mittelstand: Von der Idee zum Industrieeinsatz in 24 Stunden

22.07.2025
Aktuelles

Kurze Wege, Offenheit für neue Technologien und der Mut, einfach mal etwas auszuprobieren – das sind oft die besten Zutaten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die MÜNCH GmbH aus Karlstadt und die Würzburger XRify GmbH, ein Start-Up aus dem Bereich der Fabrikplanung mit XR-Technologien, zeigen wie unkompliziert digitale Innovation gelingen kann, wenn man bereit ist, Neues zu wagen. Augmented Reality (AR) wurde hier nicht als großes Projekt gedacht, sondern als pragmatischer Test – direkt aus der Region, direkt in die Praxis.

Hintergrundinfos:

Wer? MÜNCH GmbH Wer?  XRify GmbH
Wo? Karlstadt (Landkreis Main-Spessart) Wo? Gerbrunn, Landkreis Würzburg
Was? Spezialist in der Metallbearbeitung Was? Start-Up im Bereich der Fabrikplanung mit XR-Technologien
Kontakt: Stephan Petershofen, Geschäftsführer, s.petershofen@muench-gmbh.de

Kontakt: 
Jan Philipp Hummel, Gründer & Geschäftsführer, p.hummel@xrify.de

Manuel Ackermann, Gründer & Geschäftsführer, m.ackermann@xrify.de


Augmented Reality… was einst als Spielerei galt, hat sich heute als ernstzunehmendes Werkzeug in der Fertigung und im Anlagenbetrieb etabliert. Mit AR lassen sich beispielsweise Wartungsanleitungen im Sichtfeld von Technikern anzeigen, Qualitätskontrollen durch virtuelle Overlays präzisieren – und das ganz ohne physische Prototypen. Gerade im Kontext des Fachkräftemangels und steigenden Anforderungen an Effizienz können immersive Technologien wie AR echte Wettbewerbsvorteile bieten.

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Emanuel Friehs, Projektleiter Innovationsförderung der Region Mainfranken GmbH, sprach mit den Geschäftsführern Stephan Petershofen, Jan Philipp Hummel und Manuel Ackermann über das gemeinsame, regionale Kooperationsprojekt.

Kurzinfo zu den beiden beteiligten Unternehmen:

MÜNCH GmbH: Ein klassischer, mittelständischer, inhabergeführter Familienbetrieb mit rund 90 Mitarbeitenden, der sich auf die Herstellung von Schweißbaugruppen aus Blech- und gefrästen Bauteilen spezialisiert hat, für Kunden aus der Medizintechnik, dem Fahrzeugbau, Maschinenbau oder der optischen Industrie. Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1947 zurück – gegründet als Schlosserei, ist das Unternehmen heute hochspezialisiert auf komplette Komponentenfertigung inklusive Montage und Beschichtung. Stephan Petershofen leitet als Geschäftsführer gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder das Unternehmen.

XRify GmbH: Ein kleines, junges Start-Up, das 2024 aus dem Forschungsprojekt PlanAR der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) ausgegründet wurde. XRify berät Industrieunternehmen bei der Anlagenplanung und Prozessoptimierungen und setzt dabei 3D-Technologien wie Augmented Reality ein. Ihr Ziel? Komplexe Themen greifbar machen – im wahrsten Sinne des Wortes. Kommt eine 3D-Technologie dauerhaft in einem Betrieb zum Einsatz, schult und qualifiziert XRify auch die Mitarbeitenden der Unternehmen. Jan Philipp Hummel und Manuel Ackermann leiten das Start-Up als Geschäftsführer.

Wie haben Sie sich kennengelernt bzw. wie kam es zum ersten Kontakt?

Stephan Petershofen (lacht): Auf einer transform.RMF Netzwerkveranstaltung der Region Mainfranken GmbH. XRify präsentierte Augmented Reality in der Praxis. Wer wollte, durfte einen Blick durch die AR-Brille werfen und in virtuelle Realitäten eintauchen. Ich war zunächst etwas skeptisch, nach meinem Selbstversuch aber überrascht: Das war richtig gut gemacht. Herr Hummel und ich kamen ins Gespräch. An einen Einsatz von AR in unserem Unternehmen hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Am Ende haben wir Visitenkarten getauscht, ganz nach dem Motto: man weiß ja nie.

Jan Philipp Hummel (schmunzelt): Das kann ich nur bestätigen. Wer Augmented Reality kennenlernen möchte, muss sie live erleben, ausprobieren und die Wirkung spüren. Ein Video allein kann nicht transportieren, was in dieser Technologie steckt. Das Netzwerktreffen bot die Chance, unsere Leistungen zu präsentieren und in der Praxis zu erproben. Was wir natürlich gerne nutzen, um mit potenziellen Kunden in Kontakt zu kommen.

Wie wichtig sind regionale Netzwerkformate für Sie, um Kontakte zu knüpfen und konkrete Projekte anzustoßen?

Jan Philipp Hummel: Für uns sind sie ein echter Türöffner. Gerade als junges Unternehmen ist man auf Kontakte angewiesen. Wir kommen aus der Region, das macht sie zu unseren ersten Ansprechpartnern. Veranstaltungen wie die Transform-Reihe ermöglichen den Austausch auf Augenhöhe – zwischen etablierten Firmen und Start-Ups. Ohne dieses Netzwerk hätten wir uns vermutlich nie kennengelernt.

Stephan Petershofen: Regionale Netzwerke spielen auch für uns eine wichtige Rolle, weil wir dank der kurzen Wege keine große Hürde nehmen müssen, um dabei zu sein. Unser Vater hat uns dazu immer ermutigt. Geht raus, schaut euch um, lernt die Leute kennen, das gab er uns mit auf den Weg. Netzwerkveranstaltungen ermöglichen einen Blick nach links und rechts – vor allem durch die Branchenoffenheit. Wenn man bereit ist, offen zu denken, bringen sie wirklich was. Und manchmal ergibt sich der passende Anwendungsfall eben erst nach dem Gespräch. Dabei spielt der Regionsbezug eine große Rolle, um hier nachhaltige Geschäftsbeziehungen aufzubauen und darüber die Region zu stärken.

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Wann wurde aus dem losen Kontakt eine konkrete Zusammenarbeit – und was war der Auslöser dafür?

Stephan Petershofen: Wir wollten in einer bereits bestehenden und eingerichteten Produktionshalle eine weitere Maschine inklusive zugehöriger Arbeitsplätze sowie einen Bereich für die Materialbereitstellung integrieren. Unsere Planungen waren schon sehr weit fortgeschritten, wir standen kurz vor dem Umzug. Wer schon einmal eine Produktionshalle ausgestattet hat, weiß, dass es oft auf den letzten Zentimeter ankommt. Die Laufwege müssen passen, Abstände und Sicherheitsvorschriften müssen eingehalten werden, die Fahrwege für den Gabelstapler benötigen eine bestimmte Breite u.v.m.. Warum nicht einmal visuell vor Ort durchgehen, bevor wir endgültig umziehen? Also rief ich bei XRify an. Einen Tag später standen sie mit der AR-Brille bei uns im Werk – unkompliziert, direkt, praxisnah.

Jan Philipp Hummel (lacht): Es war in der Tat die schnellste Beauftragung, die wir je bekommen haben. Ein Telefonat, eine Abstimmung und quasi 24 Stunden später waren wir vor Ort. Grundlage für die Simulation sind CAD-Pläne, MÜNCH hatte diese bereits erstellt. Wir haben das 3D-Modell der Halle auf unsere Plattform übertragen und direkt vor Ort in AR visualisiert.

Wie können wir uns die Visualisierung vor Ort konkret vorstellen?

Jan Philipp Hummel: Setzt man die AR-Brille auf, sieht man, wie alles künftig einmal sein soll. Alle geplanten Bereiche und Maschinen befinden sich genau dort, wo sie in Zukunft stehen sollen und man kann sich in der virtuellen Halle nach gusto bewegen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Laufwege, Abstände, Arbeitsplätze und geplante bauliche Maßnahmen beurteilen. 

Stephan Petershofen: Die Visualisierung war perfekt, um zu testen, ob unsere Planungen künftig in der Praxis funktionieren. Wir sind alle neuen Laufwege abgegangen, haben getestet, ob an den Arbeitsplätzen genügend Platz ist und alle Räume gut genutzt sind. Unser Staplerfahrer hat mit der AR-Brille sogar eine virtuelle Probefahrt durchgeführt. Die immersive Erfahrung hat uns sehr geholfen und hat Spaß gemacht – auch den Mitarbeitenden.

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Welche Erkenntnisse für den Maschinenumzug konnten Sie durch die Simulation gewinnen?

Stephan Petershofen: Einige. Zuerst: Unsere CAD-Pläne waren grundsätzlich solide – das bestätigte unsere Arbeit und gab uns Sicherheit. Die Visualisierung hat uns bei der finalen Entscheidungsfindung entscheidend geholfen. Wir konnten erkennen, wo noch Optimierungsbedarf besteht und wo wir Korrekturen vornehmen sollten. An einer Stelle hätte beispielsweise ein Wandelement den Transport von sechs Meter langen Rohren behindert, an einigen Stellen haben die Fahrwege noch nicht hundertprozentig gepasst.

Gab es neben der technischen Überprüfung auch überraschende Lerneffekte oder Mehrwerte?

Stephan Petershofen: In jedem Fall. Das Projekt hatte neben dem technischen Nutzen auch einen psychologischen Effekt. Wenn Mitarbeitende das Potenzial neuer, digitaler Technologien selbst erleben und mitgestalten dürfen, steigt die Akzeptanz von Veränderungen enorm und stärkt die Identifikation. Weiterer Lerneffekt für mich: Die Simulation hat uns weitere Iterationen und damit Kosten erspart – und das mit einem überschaubaren finanziellen Einsatz. Last but not least haben wir ein regionales Start-Up unterstützt – auch das ist für mich wichtig und wertvoll.

Manuel Ackermann: Für uns war wichtig zu sehen, wie mit einem niedrigschwelligen finanziellen Einsatz unser kleinster Baustein einen enormen Mehrwert liefern kann – ohne tagelange Vorbereitung. Auch der direkte Einsatz am Shopfloor hat gezeigt: Es muss nicht immer alles theoretisch durchgeplant werden, oft hilft einfach mal ausprobieren. Zudem hat der Einsatz uns darin bestätigt, dass unser System bei aller Technik für Kunden leicht verständlich ist.

Nach dem gelungenen Start – planen Sie, in Zukunft weitere gemeinsame Projekte?

Stephan Petershofen: Ja. Aktuell planen wir die Anschaffung einer weiteren Lasertechnik-Maschine, die in einer eigenen Produktionshalle aufgestellt werden wird. Hier wird die AR-Brille in jedem Fall wieder zum Einsatz kommen – weil die Brille einen echten Mehrwert bringt und uns sicherlich einige Iterationen erspart. Ich freue mich schon darauf.

Unser Fazit: Das Beispiel MÜNCH und XRify zeigt: AR ist in der Industrie keine ferne Zukunftsmusik mehr – sondern ein praktisches Werkzeug. Wenn sich regionale Netzwerke, Innovationsbereitschaft und Technologiepartnerschaften treffen, entstehen Lösungen, die nicht nur Maschinen, sondern auch Denkweisen bewegen.

Danke für das Gespräch!