Körperschall trifft Kunststoff: Wie iNDTact und das SKZ den Spritzguss smarter machen
Hintergrundinfos:
| Wer? iNDTact GmbH | Wer? SKZ - Das Kunststoffzentrum |
| Wo? Würzburg | Wo? Würzburg |
| Was? High Performance Sensorsysteme | Was? Dienstleistungen für die Kunststoffindustrie |
| Kontakt: Dr. Raino Petričević, CEO / CTO, rpetricevic@indtact.de |
Kontakt: Jakob Schüder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, j.schueder@skz.de |
Über die iNDTact GmbH
Seit über einem Jahrzehnt entwickelt und produziert die iNDTact GmbH mit Sitz in Würzburg High Performance Sensorsysteme. Die weltweit einzigartigen Schallemissions- und Vibrationssensoren sind in der Lage, Qualitäts-, Betriebs- und Verschleiß-Zustände über einen hochaufgelösten akustischen Fingerabdruck zu digitalisieren, um damit kleinste Veränderungen präzise zu erfassen. Mit ihrer innovativen Sensortechnologie unterstützt iNDTact Unternehmen verschiedenster Branchen bei der frühzeitigen Fehlererkennung, im Qualitätsmanagement und im Bereich Anomalieerkennung und Predictive Maintenance.
Über das SKZ – Das Kunststoff-Zentrum
Seit über sechs Jahrzehnten ist das SKZ eine zentrale Anlaufstelle für die Kunststoffbranche. Mit Sitz in Würzburg begleitet das größte Kunststoff-Institut Deutschlands Unternehmen aus Industrie und Handwerk bei der Entwicklung, Prüfung und Zertifizierung von Produkten und Prozessen. Darüber hinaus qualifiziert das SKZ Fachkräfte, fördert Innovationen durch Forschung und schafft Netzwerke – regional wie international.
Drei Jahre lang haben die beiden mainfränkischen Akteure des regionalen Kompetenzfelds Neue Materialien & Kunststoffe im Rahmen des Förderprojektes „VIBinject“ Sensoren entwickelt, Software programmiert, hunderte Tests durchgeführt, Schwingungen gemessen und Tausende von Datensätzen ausgewertet. Das Ergebnis aus technischer Sicht? Mit Hilfe von hochsensiblen Körperschallsensoren lässt sich der Werkzeugverschleiß im Labormaßstab frühzeitig erkennen. Wie das funktioniert? Ein Sensor, der am Spritzgusswerkzeug platziert wird, “hört“ in das Werkzeug hinein. Nimmt er bestimmte Veränderungen im Schwingungsverhalten wahr, muss das Werkzeug gewartet werden. Klingt einfach, ist es aber nicht.
VIBinject – der Weg zum Gemeinschaftsprojekt
Beim SKZ gehört es zur Philosophie, in regionalen Netzwerken und mit regionalen Partnern zusammenzuarbeiten. So auch in diesem Fall. Kontakte zu iNDTact bestanden bereits vor dem Start der Kooperation. Das Unternehmen liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, nur wenige hundert Meter vom SKZ entfernt. „Wir wussten, dass iNDTact High Performance Sensorsysteme entwickelt und bereits mehrfach mit Forschungseinrichtungen kooperiert hat. Der Impuls ging von uns aus, da sich unsere Gruppe Spritzgießen am SKZ auch mit den Themen Digitalisierung und innovativen Qualitäts-Messsystemen beschäftigt“, erklärt Jakob Schüder. „Für uns als Unternehmen ist es wichtig, unsere Sensor-Technologie samt Peripherie immer weiterzuentwickeln. Forschungsprojekte geben uns die Möglichkeit, Referenzprojekte zu erzeugen und neue Absatzmärkte zu erschließen. Allein können wir Projekte dieser Art finanziell noch nicht stemmen – allein die Anschaffung einer Spritzgussmaschine würde uns mehrere hunderttausend Euro kosten. Das SKZ verfügt in der 2023 eröffneten Modellfabrik über einen modernen Maschinenpark– eine perfekte Voraussetzung“, ergänzt Dr. Raino Petričević.
Der Weg ist das Ziel
Die Umsetzung des Projektes „VIBinject - Autoregulatorische Qualitätssicherung im Spritzgießprozess mittels KI-gestütztem digitalen akustischen Fingerabdruck" erfolgte nach dem vor Projektbeginn definierten Strukturplan. Dieser beinhaltete die Vorgehensweise um am Ende einen funktionstüchtigen Demonstrator zu entwickelten. Der Plan enthält mehrere Arbeitspakete und Meilensteine. „Im Mittelpunkt standen unter anderem folgende technische Fragestellungen. Erstens: Können aus gemessenen Schwingungen qualitative Veränderungen im Spitzgussverfahren erkannt werden? Zweitens: Ist es möglich, aus den gemessenen Schwingungen zuverlässig einen Werkzeugverschleiß abzuleiten? Drittens: Wie lassen sich die gemessenen Daten aufbereiten, sodass sie für einen Anwendenden verständlich und möglichst einfach verwertbar sind?“, erläutert Jakob Schüder. „Das klingt auf den ersten Blick einfach, ist in der Praxis aber ein erheblicher Entwicklungsaufwand – Sensorseitig mussten wir beispielsweise die Hardware unserer Sensoren anpassen, neue selbstausgeklügelte Erkennungsalgorithmen testen sowie eine Softwarelösung entwickeln, um die Prozessphasen beim Spritzgießen mit den Körperschallsignalen zu korrelieren und funktionierende Schnittstellen zur Spritzgussmaschine programmieren – keine Selbstverständlichkeit bei industriellen Messsystemen und eine Leistung unseres gesamten Entwicklungs-Teams bei iNDTact“, erläutert Dr. Raino Petričević. „Während iNDTact eine Signalverarbeitung bzw. -Auswertung entwickelt und einen Weg erarbeitet hat, die Daten zu bewerten, hat unser Team maschinenseitig unermüdlich Verschleiß provoziert, industrienahe Anwendungsfälle simuliert und Testreihen durchgeführt“, ergänzt Jakob Schüder schmunzelnd.
Die Ergebnisse und was sie bedeuten
Heute, nach drei Jahren intensiver Forschung, steht das zentrale technische Ergebnis fest: Werkzeugverschleiß lässt sich generell durch Körperschall detektieren – und zwar rechtzeitig. Der Sensor signalisiert, wenn etwa eine Schmierung des Werkzeugs erforderlich ist. „Wir wissen jetzt, dass es technisch funktioniert – nun können wir testen, wie stabil das System unter realen Bedingungen im Dauerbetrieb ist“, so Dr. Raino Petričević. Für iNDTact bedeutet das: Der nächste Schritt wäre eine Implementierung bei einem Spritzgießer – mit dem Ziel, ein marktfähiges Produkt zur Predictive Maintenance zu etablieren. Dabei kommen noch einmal neue Herausforderungen auf die Partner zu, da in den Produktionshallen eine andere Geräuschkulisse, in Form von Körperschall, als im Technikum vorherrscht. Für das SKZ ergibt sich die Erkenntnis, dass Körperschallwellen beim Spitzguss einen gezielten Mehrwert bei der Zustandsüberwachung bieten. „Es haben sich bereits neue Fragestellungen für mögliche Folgeprojekte ergeben, etwa zur präziseren Lokalisierung von Verschleißstellen“, berichtet Schüder.
Und wie geht es weiter?
Die gewonnenen Ergebnisse wurden in Form eines Abschlussberichtes sorgfältig dokumentiert, öffentlich sind sie noch nicht. Die Erfahrungen fließen in das Weiterbildungsangebot des SKZ ein. Darüber hinaus bilden die Ergebnisse die Basis für neue Forschungsprojekte. Für die iNDTact GmbH sind die Projektergebnisse nicht nur eine solide technische Basis, sie bieten auch Potenzial für die Zukunft. „Unsere Sensorlösung ist leicht nachrüstbar. Sie wird per Magnet am Werkzeug befestigt, ohne strukturelle Änderungen an der Maschine. Das senkt die Einstiegshürden für interessierte Unternehmen erheblich. Für uns heißt es nun, einen Prototyp im industriellen Einsatz zu planen, die ersten Gespräche mit Pilotanwendern laufen bereits“, erzählt Dr. Raino Petričević.
Am Ende eine Win-Win-Situation für beide Akteure, die aus der Kooperation mehr als nur technische Erkenntnisse gewonnen haben. „Für uns war es vor allem menschlich ein wertvolles Projekt, das zeigt, wie gut Forschung und Wirtschaft in der Region zusammenarbeiten können. Für mich war es das erste Projekt, das ich als Projektleiter begleiten durfte, ich kam zum ersten Mal mit dem Thema Körperschall in Berührung, konnte viel lernen und Erfahrung sammeln. Auf beiden Seiten war in jeder Phase Leidenschaft und Motivation zu spüren. Auch dann, wenn etwas mal nicht klappte“, erzählt Jakob Schüder lachend. „Stimmt. Für mich war unsere offene Kommunikation der zentrale Erfolgsfaktor. Der ständige Austausch war an manchen Punkten so entscheidend, dass wir ohne ihn manche Erkenntnisse nicht gewonnen hätten. Für eine solch intensive Kommunikation ist die regionalen Nähe natürlich besonders vorteilhaft“, ergänzt Dr. Raino Petričevic abschließend.
