Wissenschaftlerin der JMU Würzburg erhält Richard J. Haier Prize

Forschung am Highway des Denkens

09. März 2021
Quellenangabe:

Julius-Maximilans-Universität Würzburg

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09.03.2021

Die Psychologin Dr. Kirsten Hilger forscht an den Grundlagen menschlicher Intelligenz. Für ihre Arbeiten wurde sie nun von der International Society of Intelligence Research ausgezeichnet.

Etwa 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede mit bis zu 10.000 Synapsen in Kontakt zu ihren Nachbarneuronen stehen kann: Wer sich das menschliche Gehirn wie ein gigantisches chaotisches Knäuel vorstellt, liegt trotz dieser Zahlen falsch. Tatsächlich ist es in viele Areale und Regionen untergliedert, die dynamische Netzwerke bilden und über spezielle Strukturen miteinander kommunizieren. 

Für diese Strukturen und Netzwerke interessiert sich Dr. Kirsten Hilger. Oder, genauer gesagt, den Zusammenhang solcher Strukturen beim Menschen mit stabilen Merkmalen und Tendenzen im Verhalten und Denken – wie Intelligenz. Für ihre Arbeiten auf diesem Gebiet hat die International Society of Intelligence Research Hilger jetzt ausgezeichnet. Sie erhält in diesem Jahr den "Richard J. Haier Prize for Research on the Biological Basis of Intelligence“.

Was Menschen unterschiedlich intelligent macht

„Im Zentrum meiner Forschung stehen Unterschiede in der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit, also der Intelligenz, die es von Mensch zu Mensch gibt“, sagt Hilger. Dabei suche sie nach den Grundlagen dieser Unterschiede auf einer neurobiologischen Ebene in der Struktur und der Funktion distinkter Hirnareale, aber insbesondere auch in der Vernetzung von Gehirnregionen.

In ihrem aktuellen Forschungsprojekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) seit dem vergangenen Jahr finanziell unterstützt, untersucht Hilger gemeinsam mit ihrem Doktoranden Jonas Thiele beispielsweise die Vorgänge in Gehirnnetzwerken, wenn Menschen aus dem Ruhezustand in die Bearbeitung einer kognitiven Aufgabe wechseln.

„Unsere ersten vorläufigen Ergebnisse bestätigen unsere Hypothese, dass Personen mit einem höheren Intelligenzwert weniger Anpassungsleistung aufwenden müssen, um ihr Gehirnnetzwerk in einen aufgabengünstigen Zustand zu überführen“, sagt Hilger. Wenn sich dies bestätigt, könnte das darauf hindeuten, dass bei Personen, die einen höheren Intelligenzwert in diesem Test erzielen, das Netzwerk der Neurone besser organisiert sei als bei Personen mit einem niedrigeren Testwert. „Allerdings bedarf es hier noch viel Arbeit um diese Ergebnisse abzusichern und besser zu verstehen“, so die Wissenschaftlerin.

Autobahnähnliche Verbindungen im Gehirn

Der Zusammenhang von funktionellen und strukturellen Gehirnnetzwerken und deren Bedeutung für inter-individuelle Intelligenzinterschiede: Mit der Forschung an diesem Thema wird Hilger voraussichtlich im April 2021 beginnen, wenn ihr Team Verstärkung durch eine weitere Doktorandin erhalten hat. Dann will sie herausfinden, ob Menschen, die in Intelligenztests zum schlussfolgernden Denken besonders gut abschneiden, ihre strukturellen Gehirnverbindungen effizienter durch funktionelle Verbindungen nutzen.

„Das müsste sich in einer stärkeren Übereinstimmung von struktureller und funktioneller Konnektivität zeigen“, sagt die Psychologin. Oder, bildlich gesprochen: Der Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Hirnarealen gleicht in diesem Fall im Prinzip dem Transport einer Ware von München nach Hamburg. Die Autobahn entspricht dabei den strukturellen Gehirnverbindungen – je besser die Autobahn ausgebaut ist, desto schneller fließt der Verkehr. Der Verkehr seinerseits entspricht der funktionellen Verbindung des Gehirns.

Die Wissenschaftlerin arbeitet dafür mit großen Datensätzen von über 1.000 Personen, die sie im Rahmen von internationalen „Datenaustausch“-Initiativen wie dem Human Connectome Project oder der Amsterdam Open MRI Collection zur Verfügung gestellt bekommt. Sie kombiniert dabei eine breite Vielfalt von Methoden, angefangen bei der klassischen Gehirnströme-Messung, dem EEG, und der funktionellen Magnetresonanztomographie über traditionell-statistische Methoden bis hin zu modernen Ansätzen der Netzwerkmodellierung und des maschinellen Lernens. Ziel ihrer Arbeit sei es, ganz allgemein formuliert, „ein besseres Verständnis von interindividueller Variabilität in Verhalten und Kognition zu bekommen“.

Zur Person

Kirsten Hilger hat 2013 ihren Master of Science im Fach Psychologie mit dem Schwerpunkt „Neurokognitive Psychologie“ an der Goethe-Universität Frankfurt erworben. Dort hat sie ebenfalls promoviert und als Postdoc zu den neuronalen Grundlagen der menschlichen Intelligenz geforscht – unterbrochen von einem Forschungsaufenthalt am Department of Psychological and Brain Sciences der Indiana University Bloomington (USA). Seit 2019 ist sie Akademische Rätin und Leiterin der Forschergruppe „Fear of Pain, Neuroscience of Intelligence“ am Lehrstuhl für Psychologie I der Universität Würzburg.

Der Richard J. Haier Prize

Eigentlich hätte Kirsten Hilger den „Richard J. Haier Prize for Research on the Biological Basis of Intelligence“ offiziell auf der Jahrestagung der International Society of Intelligence Research verliehen bekommen sollen, die für Juli 2021 geplant war. Pandemiebedingt wurde diese Tagung nun auf Oktober verschoben. Ungewohnt dürfte der Auftritt als Preisträgerin im Rahmen dieser Tagung für die Wissenschaftlerin nicht sein: Bereits 2017 erhielt sie eine Auszeichnung für die beste Posterpräsentation.

Richard J. Haier ist ein amerikanischer Psychologe, der vor allem für seine Arbeiten über die neuronalen Grundlagen der menschlichen Intelligenz, Psychometrie, allgemeine Intelligenz und Geschlecht und Intelligenz bekannt ist. Er zählt zu den renommiertesten Experten im Bereich der Intelligenzforschung und hat bereits viele erfolgreiche Bücher zum Thema Intelligenz veröffentlicht.

Foto: Gunnar Bartsch / Uni Würzburg