Biochip-Technologie im Rudolf-Virchow-Zentrum

Neuer neuropharmakologischer Ansatz

23. März 2021
Quellenangabe:

Julius-Maximilans-Universität Würzburg

Zur Website

23.03.2021

Hans Maric hat einen mit 1,7 Millionen Euro dotierten Emmy-Noether-Förderpreis der DFG erhalten. Er will eine unerforschte Gruppe von Gehirnproteinen untersuchen und ihr Potential zur Heilung psychischer Krankheiten bestimmen.

Einer Vielzahl psychischer Erkrankungen liegt die Fehlfunktion bestimmter Nervenzellproteine zugrunde. Da die beteiligten Proteine und ihre spezialisierten Aufgaben noch weitgehend unerforscht sind, ist eine gezielte Therapie bisher nicht möglich. Dr. Hans Maric vom Rudolf-Virchow-Zentrum –Center for Integrative and Translational Bioimaging der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg will durch Einsatz seiner Biochip-Technologie die Proteine, die zur Aufrechterhaltung und Funktion wichtiger Nervenstrukturen beitragen, erforschen und ihr pharmakologisches Potential bestimmen.

Therapeutische Möglichkeiten weitgehend ungenutzt
Derzeit verwendete Psychopharmaka wirken über verschiedenen Hirnregionen und neuronale Schaltkreise hinweg. Dieser Mangel an Genauigkeit führt zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, verringerter Wirksamkeit und belässt eine Reihe schwerwiegender Erkrankungen nicht behandelbar.

1,7 Millionen für einen fundamental neuen Forschungsansatz
Eines der Hauptzielproteine für Wirkstoffe, die bei psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt werden, ist die Gruppe der sogenannten Gamma-Aminobuttersäure Typ A (GABAA)-Rezeptoren. Da die Wirkstoffe direkt an die Rezeptoren über alle Gehirnbereiche hinweg binden, stören Sie eine Vielzahl verschiedener Prozesse, was einen gezielten Einsatz bisher unmöglich macht und häufig mit schwerwiegenden Nebenwirkungen für die Patienten einhergeht. „Unser Ansatz ist es, abseits der Rezeptoren zu denken und zu bewerten, ob es Zielstrukturen für zukünftige Wirkstoffe außerhalb der Rezeptoren gibt“, erklärt Maric. Dafür untersucht er die Proteine, die direkt an die Rezeptoren gebunden sind. Diese Proteine sind hochspezifisch für verschiedene Gehirnregionen und sogar einzelne Neuronentypen, was eine gezielte Behandlung krankhaft veränderter Nervenzellen erlauben könnte.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den innovativen Forschungsansatz Marics nun mit dem Emmy Noether Programm. Jüngste Forschungsarbeiten Marics in Kooperation mit dem Labor von Professor Stephen Moss (Boston, USA) zeigten bereits, dass es möglich ist GABAA-Rezeptoren über die assoziierten Proteine gezielter zu beeinflussen als es konventionelle Wirkstoffe können. Mäuse mit entsprechend veränderten Proteinen waren vollständig frei von ansonsten tödlichen Epilepsie-Symptomen.

Interdisziplinäre Forschung in Deutschland, Dänemark und den USA
Nach seinem Chemiestudium in Würzburg trug Maric im Rahmen seiner Doktorarbeit am Rudolf-Virchow-Zentrum entscheidend zum Verständnis des molekularen Aufbaus der hemmenden Synapsen im menschlichen Gehirn bei. „Um neben der Funktion auch den therapeutischen Wert der Proteinkomplexe am GABAA-Rezeptor zu bestimmen, bin ich 2012 als Stipendiat der Lundbeck Stiftung in das Labor von Kristian Strømgaard eingetreten, der am Zentrum für Biopharmazeutika in Kopenhagen, Dänemark ein Wegbereiter bei der Entwicklung gehirnaktiver Peptide ist“, erzählt Maric. Mit der Hilfe dänischer Forschungsstiftungen leistete er dort Pionierarbeit für eine neue Klasse gehirnaktiver Moleküle, welche ihre zellspezifische Wirkung über GABAA-Rezeptor-assoziierte Proteine entfalten.

Nach einer Zwischenstation im Labor von Professor Matthias Kneussel am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, arbeitete Maric ab 2015 als Assistenzprofessor am Zentrum für Biopharmazeutika. Um seinen Forschungsansatz weiterzuentwickeln, startete er 2018, gefördert durch das „Exzellente Ideen Programm“ der JMU, am Rudolf-Virchow-Zentrum den Aufbau einer einzigartigen biophysikalischen Technologie-Plattform.

Biochip-basierte Grundlagenforschung für neue Wirkstoffe
„Ich hatte erkannt, dass eine Reihe noch unbekannter Proteine durch Bindung an die Rezeptoren entscheidend zur komplexen Verschaltung unserer Gehirnzellen beiträgt. Daher suchte ich nach einem geeigneten Hochdurchsatzverfahren, um diese Proteine schneller identifizieren und besser erforschen zu können“, sagt Maric. Als Lösung entwickelte er ein modernes biochip-basiertes Verfahren, wobei ihm seine Ausbildung als Chemiker zugutekam.

„Chemisch synthetisierte Bruchstücke der eigentlichen Rezeptoren werden auf Chips aufgebracht, sogenannte Microarrays. Die Chips erlauben uns dann neue rezeptorbindende Proteine zu identifizieren und Ihre genaue molekulare Funktion aufzuklären“, erklärt Maric. Die auf der Basis der Chips gewonnen Erkenntnisse halfen bereits grundlegende Fragen zum Aufbau und der Funktion des Gehirns besser zu beantworten und sollen nun genutzt werden, um neue Wirkstoffe und damit potentielle Arzneimittel zu entwickeln.

„Die Förderung im Emmy Noether Programm wird uns ermöglichen, nicht nur aufzuklären welchen Beitrag diese spezialisierten Proteine bei der Aufrechterhaltung und Funktion der Synapsen spielen, sondern darüber hinaus auch zu bestimmen welches pharmazeutische Potential in ihnen steckt“, betont Maric.

Das Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging ist eine zentrale Einrichtung der Universität Würzburg. Die multidisziplinären Forschungsgruppen des Forschungszentrums widmen sich hier mit Hilfe modernster Infrastruktur der Erforschung von Schlüsselproteinen. Dies geschieht mit hochentwickelten bildgebenden Verfahren auf allen Ebenen der Biologie und die gesamte Spanne an Größenordnungen hinweg – vom atomaren Aufbau der Proteine, über einzelne Zellen bis hin zum Gewebe in Modelorganismen.

Foto: Rudolf-Virchow-Zentrum / Universität Würzburg